"Vielleicht bin ich zu nah"
Notizen bei der Entstehung von Apocalypse Now
ausgewählte Textstellen (chronologisch geordnet)
 
 
 
"Steve McQueen sagt, das Drehbuch ist grossartig, aber die Rolle des Willard sei nicht so recht passend für ihn."

"Francis ruft Brando an. Er geht nicht ans Telefon. Francis spricht mit Brandös Agent, der sagt, er sei nicht an der Rolle interessiert und wolle nicht darüber reden."

"Francis spricht mit Al Pacino, sagt, er schicke ihm das Drehbuch. Redet über einen interssanten neuen Ansatz, die Figur zu interpretieren."

"McQeens Agent sagt, dass Steve das macht, aber dass er genausoviel Geld will wie fuer die 17-Wochen-Rolle, 3 Millionen Dollar."

"Francis ruft James Jimmy Caan an. Bietet ihm die Rolle des Willard an - siebzehn Wochen fuer 1,25 Millionen Dollar."

"Francis bietet die Willard-Rolle Jack Nicholsons Agent an. Der Agent lehnt sie für Jack ab."

"Francis ruft Redford an. Er hat das Drehbuch endlich gelesen und findet es grossartig."

"Brandos Agent ruft Francis an und sagt, Brando möchte ihn sehen."

"Francis lädt unbekannte Schauspieler in Los Angeles zum Vorsprechen."

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"Die Hubschrauber fuer den Film sind von der philippinischen Luftwaffe. Heute wurden sie mitten in der Probe fuer eine komplizierte Aufnahme abkommandiert, um die Rebellen in einem Buergerkrieg 150 Meilen weiter suedlich zu bekaempfen."

"Gestern abend sah sich Francis die Muster aus der ersten Drehwoche an. Es waren die Szenen mit Harvey Keitel, der Willard spielt. Am nächsten Tag hatte Francis sich entschlossen, seinen Hauptdarsteller auszutauschen."

"Gestern sandte Francis ein Telegramm an Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, in dem er die Situation erklärte und ihn fragte, warum er nicht ebenso militärisches Gerät der Vereinigten Staaten mieten könne wie die Produzenten von 'Die Grünen Teufel'. Es scheint, als übe das Verteidigunsministerium eine Art Zensur aus. Ein Film über den Zweiten Weltkrieg bekommt jede mögliche Hilfe."

"Wir sprachen heute am Telefon mit Francis' Eltern. Seine Mutter fragte mich, ob der wirkliche Grund, warum Brando im Mai den nicht machen wollte, der gewesen sei, dass er zu fett war."

"Immer mehr kommt es mir so vor, als bestünden Parallelen zwischen den Charakteren von Kurtz und Francis. Da ist die Heiterkeit der Macht, während man alles zu verlieren hat - eine Erregung wie im Krieg, wenn man tötet und Gefahr läuft getötet zu werden. So wie Francis diesen Film macht, ist er das grösste mögliche Risiko eingegangen."

"Wir assen im Freien zu Mittag, und Francis erzählte seine tollen Geschichten; wie er während der Pate II beinahe gefeuert worden wäre; über die ganzen Intrigen am Rande und ueber einen echten Mafioso der in dem Film mitspielte."

"Die Italiener im Team haben für rund 700$ Lebensmittel aus Rom bestellt. Sie trafen gestern ein, und die Kosten für Fracht und Zoll beliefen sich auf 8000$."

"Er erzäehlte Marty, wie er während den Dreharbeiten zu der Pate einmal auf dem Klo war, in einer Toilettenkabine des Studios sass und zwei Leute aus dem Team hereinkamen. Sie redeten darüber, dass der Film grosse Scheisse sei und dieses Arschloch von Regisseur nicht wisse was er tue. Francis sagte, er habe die Füsse hochgezogen damit sie nicht seine Schuhe erkannten."

"Heute abend bespricht er mit dem Anwalt und dem Produktionsstab, was nun angesichts der Taifunschäden zu tun ist. Mona fuhr heute mit dem Schadensregulierer der Versicherung nach Iba hinauf und sagt, Francis will die Produktion nun definitiv für ein paar Wochen unterbrechen. Francis ist keiner der aufgibt. Ich frage mich was seine Pläne sind."

"Francis sagte, er haette geträumt wie das er das Drehbuch beenden würde, aber jetzt, wo er wach sei, tauge die Lösung nichts. Wir sprachen über die Ängste, die ihn plagen, und zum grössten Teil scheinen sie mit der Tatsache zusammenzuhängen dass das Drehbuch nicht fertiggeschrieben ist."

"Das Budget für den Film ist um drei Millionen überschritten, die United Artists jetzt aufzubringen hat, aber Francis muss sie selbst zurückzahlen, wenn der Film nicht mindestens 40 Millonen Dollar einspielt."

"Gestern schoss Francis die Szene im Hotelzimmer. Er liess Marty ein bisschen betrunken werden, wie er es auch im Film sein soll. Marty lieferte eine unglaubliche Szene. Er war zu einem Punkt vorgedrungen wo ein Teil von ihm mit Willard verschmolz."

"Francis spürt den Druck, dass er finanziell die Grenze erreicht hat, dass schon alle Reserven erschlossen sind. Laut Vertrag bürgt er persönlich fuer jeden Dollar den der Film mehr kostet als im Budget vorgesehen."

"Jeder der hier hinaus auf die Philippinen gekommen ist, scheint etwas zu durchleben, was ihn tief berührt, seine Sicht der von der Welt oder von sich selbst verwandelt, und dasselbe geschieht im Verlauf des Films wohl auch mit Willard. Mit mir und Francis passiert eindeutig etwas."

"Marlon ist stark übergewichtig, Francis und er schlagen sich damit herum, wie sie die Rolle im Drehbuch verändern sollen. Brando möchte sein Gewicht kaschieren, und Francis möchte dass er einen Mann spielt, der masslos und ständig frisst."

"Brando hatte den ganzen Tag improvisiert. Es auf dem einen Weg versucht, dann auf einem anderen, pausenlos. Sie hatten nicht eher lockergelassen, bis sie eine Lösung für seine Rolle gefunden hatten. Brando will etwas versuchen, was er noch nie gemacht hat. Er wird eine überlebensgrosse Figur spielen, eine mythische Gestalt, eine theatralische Persönlichkeit."

"Francis hatte Marlon gebeten, Herz der Finsternis noch einmal zu lesen. Marlon sagte jetzt, seine Rolle sollte dem Kurtz im Roman ähnlicher sein. Francis sagte, Ja, das ist es was ich versucht habe, Ihnen deutlich zu machen. Erinnern sie sich noch, im letzten Frühjahr, bevor sie die Rolle angenommen haben, als sie Herz der Finsternis gelesen hatten und wir darüber sprachen? Marlon sagte: Ich habe gelogen. Ich habe es nie gelesen."

"Über ein Jahr quält er sich jetzt damit ab, macht einen Entwurf nach dem anderen für den Schluss, versucht ihn richtig hinzubekommen. Er sagt, er habe erkannt dass es keine einfache Lösung für das Drehbuch gebe, ebensowenig wie eine einfache stimmige Antwort auf die Frage gebe, warum wir in Vietnam gekämpft haben."

"Er sagte immer wieder: Lass mich raus hier, lass mich einfach Schluss machen und heimgehen. Ich schaffe es nicht. Ich sehe es nicht. Wenn ich es nicht sehen kann, kann ich nichts machen. Das ist wie eine Premiere hier; der Vorhang geht auf, und es gibt keine Vorstellung."

"Er sagte, dass ihm dieser Film vielleicht so schwer gefallen sei und er sich so elend gefühlt habe, weil die traditionellen Muster, nach denen er gedacht habe arbeiten zu müssen, nicht funktionierten, was ihn wütend und ängstlich gemacht habe. Wo doch in Wahrheit seine beste Arbeit an dem Film im Entwerfen und in der Innovation bestünde und auf traditionelle Weise einfach nicht zu machen gewesen sei."

"Marlon war für die Rolle eines Green-Beret-Offiziers mager und muskulös gedacht gewesen, aber als er hoffnungslos übergewichtig ankam, musste Francis seine vorgefasse Idee von der Gestalt aufgeben und eine Lösung finden, die den Film viel weiter in Richtung Myhtos trieb und sich als viel besser als sein ursprüngliches Konzept erwies. Er sagte, er habe angefangen zu begreifen, dass ein guter Regisseur vielleicht nicht derjenige ist, der einen Film perfekt vorbereitet und entschieden angeht, sondern einer, der die Situationen, die sich ergeben, annehmen und zu seinen Gunsten benutzen kann, statt die Dreharbeiten abzubrechen, bis alles wieder seinen ursprünglichen Plänen entspricht."

"Der rituelle Speertanz der Ifuagos bot eine perfekte Parallele zu dem, was im Inneren des Tempels vorging. Es war, als würden die Tänzer vor dem Tempel erzählen, was Willard drinnen tat. Ifuago-Krieger töteten den Arni-Büffel, und Willard tötete Kurz."

"Gestern abend sah sich Francis unten im Vorführraum eine Rohmontage an, rund fünf Stunden Filmmaterial. Er sagte, der Film sei grandios, ein Meisterwerk. Er sagte, alles sei drin, er könne es sehen. Er sagte, er brauche nichts mehr tun, als das wegzuschneiden, was nicht Apocalypse Now sei, und dann wäre der Film da. Kannst du dir das vorstellen, da habe ich den gesamten Schluss improvisiert, und es ist alles da, und auch noch grossartig?"

"Gestern nacht rief Francis aus Manila an. Er sagte, Marty habe einen Herzanfall gehabt, er sei am Leben, aber in kritischem Zustand. Er sagte, der Produktionsleiter habe zu saufen angefangen und wolle die Produktion dichtmachen."

"Francis sprach davon, dass alle ihn zu Kompromissen bewegen wollen; United Artists möchte nur, dass er irgendwie rasch fertig wird, egal ob der Film besser wird, wenn er ihn wirklich so gut macht, wie er nur kann."

"Francis sagte, er sei die Willard-Gestalt, und als Marty dem Tod nahe war, brach Francis ebenfalls zusammen."

"Heute geht das Gerücht um, dass die Produktion am 21. Mai beendet wird. Eine Reihe von Szenen ist gestrichen. Alle sind guter Laune. Gestern haben sie neun Einstellungen gedreht. Marty trug während der Dreharbeiten einen Herzmonitor. Es war alles in Ordnung."

"Er sagte, das Budget für Spezialeffekte bei diesem Film sei das grösste, was es je gegeben habe."

"United Artists schliesst für ihn eine Lebensversicherung über 15 Millionen Dollar ab. Francis sagt, tot sei er mehr wert als lebendig. Er hat für den Film 14 Millionen Schulden gemacht."

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"Francis sitzt neben mir. George Lucas lehnt sich über den Sitz vor ihm. Steven Spielberg sitzt auf der anderen Seite des Mittelgangs. Zusammen haben sie die Filme mit den höchsten Einspielergebnissen aller Zeiten zustande gebracht. Der weisse Hai ist Nummer eins. George sagt gerade, dass Krieg der Sterne um 19 Uhr 05 nächsten Samstag Nummer Eins sein wird. Der Pate steht an dritter Stelle."

"Francis sagt, man müsse den Erfolg dazu nutzen, die Grenzen des Films zu erweitern. Die Form zu erweitern, die Filme zu machen, die man machen möchte, einen Film von vierzig Minuten, einen von sechs Minuten. Man muss sagen können: Ich werde nie wieder einen so erfolgreichen Film machen wie der weisse Hai, Krieg der Sterne oder der Pate. Und die Filme machen, die man wirklich machen möchte."

"George redete über Film-Platten und -Kassetten. Er meinte, die Filmemacher wuerden sich in Zukunft mehr auf einzelne Szenen konzentrieren, sich weniger um die linear ablaufende Story kümmern. Die Leute würden eine Video-Platte auflegen und sich nur die Liebesszene oder die Verfolgungsjagd oder die traurige Szene eines bestimmten Stimmungseffekts wegen vorsielen, so wie wir eine bestimme Musik einsetzen, um uns in einer bestimmten Weise zu fühlen."

"Ein Fotograf hat Francis gerade nach unten gerufen, er will ihn zusammen mit George Lucas und Steve Spielberg aufnehmen: die drei heissen Regisseure. Vor ein paar Jahren wurde Francis mit zwei anderen fotografiert. Damals galten er, Peter Bogdanovich und Billy Friedkin als die drei heissesten Regisseure."

"Wir sassen unten im Vorführraum. Als die Filme durchgelaufen waren, bat Francis die Kinder zu gehen, weil er mir Fellinis 8 1/2 zeigen wollte, allein. Er hatte ihn ein paar Tage zuvor gesehen und wollte mir zeigen, wie viele Parallelen zu seinem Leben darin steckten."

"Ich sprach mit Fred über Carroll Ballard. Fred meinte, Carroll hätte sich mit der Regie zu Der schwarze Hengst sehr schwer getan. Er würde einen fiktionalen Film nicht mit dem gleichen Selbstvertrauen drehen wie seine Dokumentarfilme. Ich verstand sofort. Beim Dokumentarfilm geht es ja darum, zu beobachten, was geschieht und einige flüchtige Momente im Film festzuhalten. Beim fiktionalen Film geht es darum, Dinge geschehen zu lassen, sie immer wieder aufzunehmen, bis sie so geschehen, wie man es möchte. Genau das umgekehrte Verfahren."

"Ich hörte dass einer der Cutter den gesamten Schluss des Films gestohlen hat, Dutzende von Spulen, und Francis eine Woche lang Tag für Tag Briefe voller Asche zuschickte. George Lucas sagte zu mir: Mein Gott, daraus könnte man einen Film machen."

"Ich erinnere mich, dass Francis irgendwann im Frühjahr 1976 auf den Philippinen einmal sagte, der Film werde durch seinen Stil gewonnen oder verloren werden. Ich dachte, er meine damit das CinemaScope-Verfahren, Vittorios lyrische Kameraführung, eine bestimmte Art der Darstellung. Vielleicht meinte er das damals auch. Seine Vision hat sich weiterentwickelt."

"Ich glaube Francis' Film stellt einen wirklichen Schritt dar - hin zum Film als Literatur. Weil er sowohl die inneren als auch die äusseren Erfahrungen Willards auszudrücken versucht."

"Freitag war Francis' Geburtstag. Nummer drei während der Arbeit an Apocalypse Now."

"Ich bin in Francis' Büro. Er hat achthundertvierzig Karteikarten in einer langen Schlangenlinie auf dem Fussboden liegen. Auf jeder Karte steht getippt eine Szene. Er schiebt sie herum, um eine neue Gestalt für den Film zu finden."

"Wir giengen zu Elaine's. Woody Allen bekam einen Tisch für sich allein, die Karikatur eines kleinen, einsamen Mannes. Bob Fosse sah nicht gut aus. Francis und Bernardo waren von nachhaltigen Depressionen überschattet. Marty Scorsese geht es nicht gut. Was ist lost mit all diesen Regisseuren?"

"Francis hat immer wieder einmal davon gesprichen, dass er seinen nächsten Film vielleicht in Japan spielen lassen möchte. Er sagte, dass noch kein erfolgreicher amerikanischer Film dort gedreht worden ist. Ich weiss noch, als er Der Pate II zu drehen begann, hiess es immer: Warum machen sie das? Es hat doch noch nie eine Fortsetzung gegeben, die etwas taugte."

"Ich habe gehört, dass die Szene, die auf der französischen Plantage spielt, jetzt endgültig herausgeschnitten wurde. Sie schien sich nie richtig in den Film einzufügen."

"Er lässt die Cutter noch immer an der zweiten Hälfte arbeiten. Der Schluss ist noch nicht fertig. Er spielt mit dem Gedanken, eine letzte Szene zu drehen."

 
 

"Er sagte, er hätte sich nie klargemacht, was er da beinahe verloren hätte - das einzige was zählt: seinen Verstand."